August 2004
           von Maria Wigo
 

                           Ein Meer !

           
             Weit oben auf des Felsen Kron,
             Steht ein Gebild aus Stein,
             Der graue Stuhl gleicht einem Thron,
             Fast wie ein heilig Schrein!              

           
             Die Frau nimmt Platz, will sich ausru`hn,
             Weiß die Haut das Aug verwischt,
             Des Wassers  Welten sich auftun,
             Zuerst erblickt sie weiße Gischt!

           
             Ein drohend Donner nun ertönt,
             Vom Wasser sicherlich,
             Als würd mein Schmerz davon verhöhnt,
             Ach ja, die Frau bin ich!

           
             Ich bin’s  die sich beim Thron ausruht,
             Erschöpft von Liebespein,
             Ich seh des Wassers  tosend Wut,
             Der Fels hält mich allein!

           
             Die Wellen bilden glitzernd Schaum,
             Gebeutelt von der Kraft,
             Unendlich grosser, weiter Raum,
             Wie gross des Meeres Macht!

           
             Der Wind pfeift schrill und singt sein Lied,
             Trifft sich in Meeres Hand,
             Die Schaumkron` zischt und springt und flieht
             Gleich an des Felsen Wand!

           
             Das Wasser färbt sich schwarz bis grün,
             Unheimlich drohend Spiel,
             Sirenenklänge jetzt erblüh`n,
             Halt ein mir wird’s  zuviel!

           
             Unwirklich Töne mich verwirr`n,
             Erschreckt mich Urgewalt,
             Hab Deine Stimme im Gehirn,
             Mir wird so eisig kalt!

          
             Was stimmt denn nun, was ist denn wahr,
             Wem hör ich denn jetzt zu?
             Siren` umschwirrt den Kopf, mein Haar,
             Sie spricht, " entscheide Du!"

           
             Kann nicht entscheiden, quält mich so,
             Was Seine Stimme sagt,
             Trotz Wassers  Kälte, lichterloh,
             Verbrennt mein Herz, verzagt!

           
             Hör zu Sirene, weiss ich jetzt,
             Ich werd Ihn nie mehr sehn,
             Wer Liebe auf die Sandbank setzt,
             Muss ganz allein vergeh`n!

           
             Ich glaubte Wasser sicherlich,
             Wär’ gut für mein Gemüt,
             Durch Fluten Weite Angst mir wich,
             Nur kurz war ich erblüht!

           
             Siren` Du schlägst mit meiner Qual,
             Auf meiner Seele rum,
             Wenn Du mir sagst, ich hätt’ ne Wahl,
             So bitt’ ich Dich, bleib stumm!

           
             Ach bitte Wind, nun sage mir,
             Gibt’s  noch ne andre  Welt?
             Dann nimm die Hand, ich folge Dir,
             Wo’s meiner Seel` gefällt!

           
             Sirene meldet sich zu Wort,
             Bevor der Wind was sagt,
           " Folg mir, ich kenne einen Ort,
             Wo sich kein Herz beklagt!"

          
           " Ganz unten tief unter dem Meer,
             Da gibt es einen Platz,
             Mit vielen Leibern, gar nicht schwer,
             Find jeder seinen Schatz! "

           
           " Ein kleiner Schritt, ein kurzer Sprung,
             Der Schmerz dann von Dir weicht,
             Statt Luft viel Wasser füllt die Lung`,
             Hab ich mein Ziel erreicht!"

            
             Welch süße Kund mir wird ganz leicht,
             Beendet wär’ die Qual,
             Sirene streichelt`s  Ohr mir seicht,
           " Komm mit, hast noch die Wahl!"

            
             Im Schaum der Tränen schau ich stur,
             Dein Bild vor mir verschwimmt,
             Starr’ aufs  Getöse, wünsche nur,
             Das Meer mich jetzt verschlingt!

            
             Schon steh ich hier am Felsenrand,
             Die Wahl ist nunmehr mein,
             Ich seh’ das Meer betäubt, gebannt,
             Fall kraftlos aufs  Gestein!

            
             Geh weg Siren`, ein andermal,
             Spiel ich den grossen Held,
             Doch er lebt hier, s` ist meine Wahl,
             Ich bleib in meiner Welt!

            
             Sirene schreit, hat’s  nicht geschafft,
             Das Meer verschlingt den Klang,
             Die Schaumkron` lieblich mich anlacht,
             Des Wassers  Neuanfang!

            
             Ich stehe auf, empfang den Lohn,
             Der Himmel sich erhellt,
             Ich hör’ ein Knirschen aus dem Thron,
             Gebild aus Stein zerfällt!

       
 

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